Christen und Muslime kamen zum gemeinsamen Iftar im Gemeindezentrum St. Johannes zusammen
„Den inneren und äußeren Frieden, eine fröhliche Gemeinschaft und gute Möglichkeit, sich zu unterhalten und besser kennenzulernen, das habe ich heute empfunden“, sagt Fatih, einer der Hauptorganisatoren des öffentlichen Fastenunterbrechen, genannt Iftar, und schätzt sich glücklich über diese Erfahrung. „In einer Zeit, wo es auf der Welt so viel Unfrieden und gerade interkulturell und interreligiös gesellschaftlichen Streit und auf der Welt Kriege gibt“, führt er weiter aus. Zu einem feierlichen Moment des täglichen Fastenunterbrechens hatten er und seine Freunde: Evran, Mustafa und Mete ihre deutschen Nachbarinnen und Nachbarn, den Bürgermeister und Stadtrat sowie allgemein die Bevölkerung Königsbrunns eingeladen. Was sonst im familiären Rahmen nach dem täglichen Fasten oder mit Freunden am Abend geschieht, war hier nun für die Interessierten geschaffen worden. Es war ihnen, die sie seit Jahren hier wohnen, ihre Kinder in Königsbrunner Kitas oder Schulen gehen, sehr wichtig, ein Zeichen zu setzen. „Wir wollen Danke sagen für die tägliche Hilfe und Begleitung in all den letzten Jahren“, so umschrieb es der aus der Türkei ziehen müssende Grundschullehrer Evran, der sich hier in Königsbrunn und Augsburg auch ehrenamtlich in verschiedenen Aktionen und Kreisen engagiert.
Mit ihrer Idee waren die gläubigen Muslime schon bei der Integrationsreferentin Andrea Collisi auf offene Ohren gestoßen, die dann den Kontakt zur evangelischen Gemeinde und Pfarrer Ernst Sperber herstellte, sowie mit ihnen den Ablauf im Vorfeld abklärte. Auch Ramona Markmiller, Leitung des Mehrgenerationenhauses (MGH), gab dem gesamten Projekt mit ihrer zugesagten Unterstützung die notwendige Sicherheit. Leider konnte sie selbst an dem Abend nicht teilnehmen. Seitens der Zubereitung der Speisen für insgesamt 125 angemeldete Personen und das Herrichten und Schmücken des Raumes fanden die Initiierenden insgesamt zwanzig türkische Familien aus ihrem Bekanntenkreis. Alles wurde mit viel Umsicht und nahezu geräuschloser Organisation auf- und wieder abgebaut, umrahmt von einer im Hintergrund laufenden Bildpräsentation und Musik.
Die deutschen Gäste staunten nicht schlecht, als sie in das evangelische Gemeindezentrum eintraten und die festlich eingedeckten Tischgruppen sahen, auf denen bereits Salat, typisches Käsegebäck und Süßspeisen für später stand, ebenso dekoriert mit Blumenschmuck und Lampen in Form einer Mondsichel. „Das sieht ja aus wie bei einem Hochzeitsmahl!“, war der spontane Ausruf einer Besucherin. Tatsächlich wurde man vorne am Eingang begrüßt und zu seinem Tisch nach Tischordnung geführt. Dort fand man neben seinem Tischset eine jener besonderen Datteln in Bambusschale auch ein kleines Begrüßungsschildchen mit „Frohe Ostern“ vor. Das war mehr als nur eine Geste in Hinblick auf das einige Tage später von Christen gefeierte Fest. Jeder Gast erhielt nach dem Essen später auch einen selbstgeknüpften Makramee-Anhänger zusammen mit Versen aus der Bibel und dem Koran, der die inhaltliche Nähe beispielsweise in Bezug auf Hilfsbereitschaft gegenüber seinem Nächsten oder das Einhalten von Werten aufzeigte.
Dass Religionen oft missbraucht werden und dies nichts mit der eigentlichen spirituellen Suche, dem Glauben des Einzelnen oder einer kulturellen Gemeinschaft zu tun hat, das unterstrich zuvor Pfarrer Ernst Sperber in seiner Ansprache. Er betonte seine Freude über die Idee des gemeinsamen Fastenbrechens. Dies sei das erste Mal in der Geschichte der evangelischen Gemeinde St. Johannes. Er bedankte sich gleichermaßen für diese Impuls, wie umgekehrt die türkischen Organisatoren unterstrichen, dass sie für die Möglichkeit sehr dankbar und glücklich seien. Maximilian Wellner, zweiter Bürgermeister, wie dritte Bürgermeisterin, Ursula Jung waren in Vertretung für den, sich im Urlaub befindenden Bürgermeister Franz Feigl, der Einladung gefolgt. In einem Grußwort unterstrich Wellner seinen Respekt gegenüber den seit einigen Jahren in der Brunnenstadt lebenden Bürgern mit Migrationshintergrund, die hier dann im Neustart die deutsche Sprache rasch lernen und meist in anderen Berufen als ursprünglich erlernt, sich orientieren müssten, um ihren Familien ein selbstorganisiertes Leben zu ermöglichen.
Über die große Bedeutung des Fastenmonats Ramandan für jeden Muslim und jede Muslima von Klein auf bis ins hohe Alter als einer der fünf Säulen, klärte Hülya Ünal in ihrem zehnminütigen Vortrag auf. Sie betonte, dass es dabei keineswegs nur um den Verzicht auf Essen und Trinken ginge, sondern um Einkehr und den finanziellen Beitrag und Hilfe für Menschen, denen es nicht gut ginge, sowie die Pflege der Familie. „Wir empfinden nicht Last und Strafe für diese Aufgabe, sondern sehen Jahr für Jahr die Möglichkeit der Reflexion über das eigene Dasein und Handeln.“
Beim Muezzin-Ruf zum Gebet, vorgetragen von Muzaffer Sahinoglu unmittelbar vor dem Essen, legte sich über die Tischgemeinschaften eine andachtsvolle Stille. „Ja, mich hat das schon sehr berührt, ich bekam direkt Gänsehaut“, erklärte eine deutsche Besucherin dazu.
Andrea Collisi wurde kurz vor Ende der Veranstaltung auf die Bühne gebeten. Sie sprach von der Genese des Abends, die sich auch beim gemeinsamen wöchentlichen Engagement und Begegnen im interkulturellen Treff „Café Mosaik“ ergeben habe. Bereits im vergangenen Jahr war es schon einmal angedacht, umso schöner, dass es sich dank vieler verschiedener Menschen habe nun realisieren lassen. Sie warb für die sehr wohltuenden Begegnung, die sie immer wieder erlebe beim interkulturellen Treff „Café Mosaik“ oder dem interkulturellen Frauentreff, deren Initiatorin, Nina Shifner ebenfalls anwesend war. „Beides ist bei unserem städtischen MGH angesiedelt und bietet neben der Möglichkeit, kulturelle Vorbehalte abzubauen, viel Spaß. „Wir lachen viel miteinander, singen und tanzen – kommen Sie vorbei!“, warb die Integrationsreferentin. Als Integrationsreferentin sehe sie darin auch einen großen Erfolg, wenn Menschen mit Migrationshintergrund im Vertrauen darauf, dass es mithilfe neuer Kontakte möglich ist, hier ihre Kultur nahebringen und dazu eigene Initiativen und Aktionen entwickeln.